Donnerstag, 12. Juni 2014

Ein Ergebnis größer als Null

Warum es dazu gehört, machmal alles hinschmeißen zu wollen

Ganz ehrlich: Manchmal würde ich am liebsten davon laufen. Mir macht zwar alles, was ich bei Rock Your Life! lerne, riesigen Spaß, ich genieße die Zeit und die Möglichkeiten, aber manchmal, wenn gar nichts klappt... Deshalb schreibe ich hier auch wie es sich anfühlt, wenn im Mentoring die Dinge anders laufen, als geplant.

In den letzten Monaten kam es manchmal vor, dass meine Mentee Marie und ich es oft über Wochen nicht geschafft haben uns zu treffen. Oft habe ich das als persönliche Niederlage verbucht. Ich dachte: Oh mann, keine Antwort, sie geht nicht ans Telefon, ich bin eine schlechte Mentorin... Lauter fiese Kleinmach-Gedanken. Erst im Gespräch mit anderen Mentoren habe ich gemerkt: Allen geht es so. Jeder konnte eine Situation erzählen, in der er am liebsten hingeschmissen hätte.

Versetzt, vergessen, verzweifelt

Bei mir war das vor ein paar Wochen, als das dritte gemeinsame Seminar mit Marie anstand. Wir hatten den Termin lange vorher abgesprochen, wollten gemeinsam hingehen. Marie schrieb: "Hallo Jessica okay gut danke dass du mich nochmal dran erinnert hast". Ich dachte mir in dem Moment: "Cool, wir haben jetzt echt einen guten Zugang zueinander gefunden, das Seminar am Samstag wird sicher super." Für das Wochenendseminar mit Marie hatte ich einige berufliche Termine ziemlich hin und her geschoben. Die Woche davor hatte ich in Berlin zu tun und sagte meinem dortigen Auftraggeber: Ihr müsst mir für Freitagabend einen Flug zurück buchen, ich habe einen echt wichtigen Termin am Samstag. Da will ich zuverlässig sein!

Es kam alles anders. Ich sitze Freitagabend müde im Flieger und schicke eine letzte Whatsapp-Nachricht an Marie, um sie zu erinnern. Und sie schreibt plötzlich: "Hallo leider kann ich morgen nicht kommen". Sie habe eine Vorbereitungstreffen zu ihrer Firmung, ihr Mama wolle, dass sie da hin gehe. Boargh. Nee, jetzt? Echt? Ich kann es nicht fassen. Schreibe ihr, dass sie bitte bitte kommen soll. Am nächsten Morgen stehe ich am Treffpunkt und warte vergeblich.

Ich lerne Geduld. Es lohnt sich. 

Bei diesem Rock Your Life! Seminar war ich also eine der Mentorinnen, die ohne Schülerin da saß. Okay. Die Partnerübung habe ich dann mit einem anderen Studenten gemacht, der auch schülerlos war. Wir mussten lachen. Was soll's? Man gibt sich Mühe, man versucht es. Und letztlich lernt man was draus: Die Dinge laufen nicht immer so, wie ich sie plane. Ist auch okay.

Natürlich war ich wütend auf meine Mentee Marie. Sie entschuldigte sich, es tat ihr wirklich leid. Zu einem neuenTreffen kam es trotzdem lange nicht. Ich merkte, wie sehr sie als 15-Jährige schon in Pflichten und Verbindlichkeiten eingebunden ist: Auf die Geschwister aufpassen, mithelfen die Wohnung zu renovieren, Hausaufgaben, Wegfahren mit den Eltern. Wir schafften es einfach nicht einen gemeinsamen Termin zu finden. Wir gingen nicht zum Flohmarkt, wir trafen uns nicht nach ihrem Praktikum, wir gingen nicht ins Kino.

Ich hatte mir immer vorgenommen, keinen Druck auf meine Schülerin zu aus zu üben. Ich wollte nicht noch ein weiterer Mensch im Leben dieser Jugendlichen sein, der sie stresst und nervt. Aber jetzt musste ich die Gretchenfrage stellen. Wollte wissen, wie sie es hält mit unserem Tandem, ob es weitergehen soll.

Ein kleines "Hallo ja" kann alles ändern

Also schrieb ich: "Hallo Marie, hast du noch Lust dich mit mir zu treffen"
Die Antwort kam promt: "Hallo ja"

Und damit habe ich Frieden geschlossen. Ja, Marie will dieses Mentoringprogramm mit mir machen. Ja, manchmal finde ich es enttäuschend, dass es nicht einfacher klappt. Ja, das ist in Ordnung.

Ich musste schließlich an den den sehr hilfreichen Kommentar eines Mentoren-Kollegen beim letzten Seminar denken. Er sagte mir: Jessica, du kannst auch mal an deinen Erwartungen arbeiten. Schraub die mal runter. Du musst nicht den Bewerbungs-Coach spielen und auch nicht den Lebensretter. Wenn ihr euch ab und zu trefft, ist das schon gut. Wenn ihr zusammen Eisessen geht, ist das cool. Wenn ihr euch nach Monaten immer noch schreibt und euch gerne trefft, dann hast du schon einen Wirkung erzielt. Die Wirkung ist größer als Null. Egal, wie gering dir selber der Effekt auf das Leben eines anderen erscheinen mag - er ist da. Du machst schon einen Unterschied. Mach einfach weiter. 

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